
Beim Einpflegen der Fotobestände in die eigene Datenbank HEUSS laufen Bilder durch meine Hände, die auch mal zum Schmunzeln oder Nachdenken anregen. Wenn ich zu einem Bild nur wenig Informationen habe, wird bei mir oft auch der Forscherdrang geweckt – schließlich möchte ich den Datensatz zu dem Abzug mit allem Wissenswerten füllen. Genau das ist mir Anfang Juli passiert:
Ein Foto von einem Relief, das ganz offensichtlich von seinem ursprünglichen Platz entfernt und an einem anderen Ort eingesetzt wurde. Als einzige weitere Information steht beim Fotoabzug als Notiz dabei, dass es zum Aufnahmezeitpunkt in der nordöstlichen Friedhofsmauer des Alten Friedhofs eingelassen ist. Dummerweise ist auch keine Datierung auf dem Bild bzw. den Notizen. Entsprechende Literatur über den Friedhof brachte auch keine neuen Hinweise. Nachdem ich weitere Fotomappen durchsucht hatte, in der Hoffnung, ähnliche datierte Bilder zu finden, wurde ich tatsächlich fündig: Es existiert eine Fotografie des gleichen Reliefs von 1971, allerdings hatte der Grad der Verwitterung stark zugenommen.
Nun wurde es Zeit, die Kolleginnen und Kollegen um Mithilfe zu bitten. Nachdem ich eine Rundmail geschickt hatte, kamen auch schon erste Hinweise:
- Unsere Bibliothekarin kommt fast täglich am Alten Friedhof vorbei und gibt dort auch Führungen, sie konnte sich aber nicht an dieses Relief erinnern.
- Eine unserer Historikerinnen wies mich auf die Ähnlichkeit zum Relief am Kiliansturm hin und versicherte mir, dass die witterungsbedingten Verschleißerscheinungen sogar über Nacht geschehen können – was eine Rückdatierung schwer macht.
- Unser Archivar vermutet, dass dieses Relief höchstwahrscheinlich aus den Trümmern eines Gebäudes nach 1945 in die Mauer eingelassen wurde.
- Und schließlich hat unsere Fotografin unter den digitalen Fotobeständen ein Bild gefunden, das ein Loch in der nordöstlichen Friedhofsmauer zeigt.

Wo ist das Relief also hingekommen? Ich wurde dann in der Datenbank HEUSS fündig im Bestand des Lapidariums unter Nr. E020-214. Das Foto zeigt das Türkenkopf-Relief – noch etwas weiter angenagt durch den Zahn der Zeit. Es liegt momentan schlecht zugänglich hoch oben auf einem Regal. Die Steinsammlung des Lapidariums befindet sich seit Mitte der 1980er Jahre im Alten Milchhof in der Frankfurter Straße. Viele Stücke davon stammen noch aus dem Historischen Museum im Alten Fleischhaus. Nach dem Krieg wurde diese Sammlung mehrfach verlagert, z. T. auch auf den alten Friedhof. Dazu kamen weitere steinerne Zeugen aus dem Trümmerschutt und Ruinenabbrüchen, wie wohl auch dieser Türkenkopf.
Jetzt bleibt nur noch zu klären, woher das Relief stammt. Leider konnte ich bisher keine belegbaren Daten oder Bildnachweise zum ursprünglichen Standort des Reliefs finden. Aber es gibt einige interessante Hinweise:
- Ernst Jäckh, der sich viel mit den Türken beschäftigte, hat in der Weinsberger Straße 29 eine Zeit lang gewohnt. Die Weinsberger Straße führt am Alten Friedhof vorbei (nördliche und nordöstliche Mauer).
- Im Friedhof gab es ein Naturkunde-Museum (ehemals Leichenhaus), das leider zerstört wurde. Vielleicht stammt das Relief von dort?
- Im Fleischhaus gab es im dortigen Museum auch eine Steinsammlung. Es gibt eine Liste mit Beschreibungen, aber einige davon sind zu vage, um auf mehr schließen zu können.
- Da das erste Foto das Relief in sehr gutem Zustand zeigt, gehe ich davon aus, dass es ursprünglich relativ geschützt vor Wind und Wetter war.
Leider haben wir keine Fotografien vom ehemaligen Wohnhaus von Ernst Jäckh, geschweige denn von den Innenräumen. Vielleicht habe ich ja ein bisschen Glück und stoße irgendwann bei meiner Arbeit erneut auf das Relief, diesmal jedoch an seinem ursprünglichen „Wohnort“ – oder Sie lieber Leser wissen vielleicht etwas darüber oder haben sogar alte Bilder davon. Wer weiß?
Nachtrag
Inzwischen ist das Rätsel gelöst: Das Relief stellt nicht einen “Türkenkopf”, sondern den Frankenkönig Childerich dar und stammt aus dem Portal der neuen Kanzlei, die zwischen 1593 und 1596 nach den Plänen von Hans Kurz als östlicher Rathausanbau erbaut wurde. Das Relief befand sich auf der rechten Seite über dem Torbogen (Fotos und weitere Erläuterungen finden Sie hier).
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
dosieja (17. September 2019). Spurensuche. Heilbronn historisch. Abgerufen am 10. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/ponf