Der Turm der Heilbronner Kilianskirche wurde 1529 vollendet. Er wird von einer großen steinernen Figur bekrönt, die im Volksmund das „Männle“ heißt und die der steingewordene Ausdruck des reichsstädtischen Selbstbewusstseins ist.
1507 hatte Hans Schweiner den Auftrag vom Rat der Stadt Heilbronn erhalten, für die Kilianskirche einen mächtigen Westturm zu errichten. Allerdings war die bereits vorhandene Westfassade der Kirche statisch auf eine Doppelturm-Anlage ausgelegt. Deshalb mussten zunächst verschiedene Umbauarbeiten durchgeführt werden.
Schweiner legte diesen Turm in mehreren aufeinander errichteten Teilen an. Das Erdgeschoss des Turms fungiert als Eingangshalle für die Kirche. Darauf – also in etwa 18 Metern Höhe – errichtete der Baumeister wohl ab 1513 seinen zentral positionierten Turm, der in diesem Bereich einen quadratischen Grundriss aufweist. Im oberen Teil dieses sog. Turmvierecks befindet sich die Glockenstube.
Bis hierher – also bis zur Höhe von etwa 36 Metern – bediente sich Hans Schweiner hauptsächlich der zeittypischen gotischen Formen und Elemente. Das ändert sich ab dem sog. Turmachteck, das sich auf dem Turmviereck erhebt und das Schweiner ungefähr in der Zeit von 1521 bis 1527/28 errichtete. Dort sind u. a. die Torwächterwohnung, der Tanzboden und die obere Glockenstube untergebracht.
Im Bereich des Turmachtecks lässt Schweiner in einem ungewöhnlichen Figurenprogramm seiner Fantasie freien Lauf. Stiltypische Elemente der italienischen Renaissance enthält der Turm aber kaum. Vielmehr ist dieses Bauwerk eine sehr originelle, sehr persönliche Schöpfung von Hans Schweiner. Es trägt antiklerikale Züge und spiegelt verschiedene zeitgenössische Vorgänge wider. Er enthält heilbronnspezifische Elemente und zeigt die Aufgewühltheit und Zerrissenheit der damaligen Zeit.
Wer war nun dieser Mann, dessen 550. Geburtstag wir 2023 begehen können, und auf dessen Turm viele Heilbronnerinnen und Heilbronner heute noch stolz sind? Tatsächlich ist nicht sehr viel über Hans Schweiner bekannt. Er kam 1473 in Weinsberg zur Welt und er ist – wahrscheinlich – 1534 gestorben. Über seine Ausbildung zu Baumeister gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Unbestritten ist nur, dass er – wie es zeitüblich war – fünf Lehrjahre lang den Beruf des Steinmetzes erlernt haben muss.
Dieses Schweigen der Quellen eröffnete dem Autor Philipp Spieß in seiner 1901 erschienenen Veröffentlichung “Der Steinmetz von St. Kilian” die Möglichkeit, seine Fantasie auszuleben. So erfand Spieß in seinem Roman einen Italienaufenthalt, bei dem Schweiner die Renaissance kennengelernt habe. Dieser Mythos lebt bis heute in vielen Köpfen ungebrochen fort. Gesichert ist dagegen, dass Hans Schweiner 1496 das Heilbronner Bürgerreicht erhielt, als er die Heilbronner Bürgerstocher Apollonia Maurer heiratete. Das Paar hatte mehrere Kinder, von denen mindestens vier das Erwachsenenalter erreichten.
Schweiner betrieb in Heilbronn eine Bauhütte, mit der er für die Reichsstadt diverse Arbeiten bei der Stadtbefestigung, bei den Mühlen oder am Kran ausführte. Außerdem errichtete er Bürgerhäuser. Und er fungierte sozusagen als „Sachverständiger für Turmbauten“ z. B. in Wimpfen, wo es 1508 um den Bau der Pfarrkirche am Markt ging, oder in (Schwäbisch) Gmünd, wo die beiden Türme des Heilig-Kreuz-Münster eingestürzt waren, oder in (Schwäbisch) Hall wegen des Hauptturms von St. Michael.
Aber alle diese Tätigkeiten und Leistungen treten hinter dem Turm der Kilianskirche zurück. Dieser Heilbronner „Turm der Türme“ regt seit jeher die Fantasie vieler Menschen an. Mit ihm hat sich Hans Schweiner ein Denkmal gesetzt, das bereits seit fast 500 Jahren von seiner Genialität und Originalität zeugt.
Literaturhinweise:
Simone Farys: Hans Schweiner von Weinsberg (1473-1534). Der Baumeister und Mensch, in: Der Kiliansturm. Turm der Türme in Heilbronn, hg. von Christhard Schrenk (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 47), Heilbronn 2005, S. 33-54
#HansSchweiner #Heilbronn #Kilianskirche #Kiliansturm #Geschichte #Architekturgeschichte #Steinmetz
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
cschrenk (9. Mai 2023). 550. Geburtstag von Hans Schweiner, dem Erbauer des Turms der Heilbronner Kilianskirche. Heilbronn historisch. Abgerufen am 5. Dezember 2024 von https://doi.org/10.58079/poq9